Gemeindeprojekte in Hebertshausen bei München

Kurzübersicht

Die Gemeinde Herbertshausen bei München zeigt, wie umfassende Integrationsarbeit nachhaltig funktionieren kann. Die anfängliche Hilfebereitschaft in der Bevölkerung wurde gepflegt, den verbreiteten Verschwörungstheorien und Fehlinformationen setzte sich der Bürgermeister auch selbst entgegen. Die Vielzahl der Projekte in unterschiedlichen Bereichen umfasst beispielsweise die Organisation von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, von familien- und kulturorientierten Veranstaltungen und Aktionen, und Sexualaufklärung für junge und männliche Asylbewerber. Gemeinsame Grundlage aller Projekte sind christliche Nächstenliebe und das Gebot, Menschen in Not zu helfen, sowie die Analyse und Zusammenführung von Ressourcen und Bedarfen auf allen Seiten.

 

Wie ist unser Projekt aufgebaut und wie ist seine Laufzeit?

Die Projekte laufen seit ca. 10 Jahren und sind das Ergebnis von vielen Helfer:innen in der Gemeinde. Beteiligt sind Vereine wie die freiwillige Feuerwehr, der Sportverein, verschiedene Arbeitgeber und Betriebe in der Gemeinde. Der Anfang der Projekte fällt in eine Zeit, in der ich noch Gemeinderatsvorsitzender war. Damals wurde ein runder Tisch mit allen Vereinen initiiert und dankend angenommen. Ich nahm daran als Gemeindebürger und als Vorstand der Feuerwehr teil. Es gab anfangs viele Helfer:innen (ca. 50-60 Personen), die sich beteiligt haben, z.T. jedoch mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen bei den Helfenden. Die Anzahl der Geflüchteten war zunächst 15, dann 50, dann 60, dann 80, mit steigender Tendenz und seit 2015 blieben die Zahlen konstant hoch, die Einrichtungen für die Geflüchteten sind voll belegt. Der nächstgrößere Strom kam im Januar 2022 zu uns. Die derzeit in Hebertshausen wohnenden Geflüchteten sind 230 Geflüchtete, Quote 40 (nach dem Königsteiner Schlüssel1). Das entspricht ca. 3,8 Prozent der Bevölkerung in Hebertshausen.

Welches Ziel verfolgen wir mit unserem Projekt?

Wir sind engagiert, die Aufgabe Asyl bestmöglich zu bearbeiten und zu lösen. Das verbinde ich mit zwei Zielen:

Erstens, es sollen Menschen untergebracht werden, die vor einem Zustand im Land geflüchtet sind. Diese Menschen, die zu uns kommen, sollen wie Menschen behandelt werden, nach christlichen Werten.

Zweitens, die Aufgabe Asyl und Integration kann man als Problem oder als Chance sehen. Die Chance liegt in der Perspektive begründet, zu überlegen, was es dem Ort bringt, wenn so viele Menschen mit unterschiedlichen Kulturen in einem Ort leben. Das Zusammenleben bringt Wissen zu Kultur und schafft Möglichkeiten der Arbeit. Es handelt sich hierbei nicht um die oft zitierten Fachkräfte, denn es sind überwiegend Menschen aus Afrika und viele davon haben keine ausreichende Schulbildung. Aber sie können und wollen arbeiten und es gibt so viele Firmen, die Arbeitskräfte suchen: Bäcker, Reitstall, Gastrobetrieb, Krankenhaus, Heizung und Sanitär, Elektriker, Autolackierer. Dabei sind wir keine große Ausnahme, sondern eher eine Durchschnittsgemeinde, entscheidend ist aber ein Faktor: Die ganze Welt wird viel medialer.

Früher gab es im TV drei deutsche Fernsehprogramme und zwei ORF-Programme, das Radio und zwei große Tageszeitungen (also, eine Handvoll Medien). Heute sind allein auf Facebook 40.000 sog. Zeitungsmedien, die sich als freie Nachrichtenquellen ausgeben. Jede*r hat ein Handy und es gibt keine Kontrolle mehr über Nachrichten. Das Stichwort ist hier Angstmache zu den Themen Asyl und Verschwörungstheorien. Man liest eine Schlagzeile von einem Überfall, der von einer asylsuchenden Person verübt wurde, und überträgt das Verhalten eines einzelnen auf die Gesamtheit der Asylsuchenden. Man bildet sich eine Meinung in kurzer Zeit und je ungenauer die Quellen sind, desto fragwürdiger ist die Meinungsbildung.

Als Bürgermeister (von einer Gemeinde mit ca. 6000 Bürgern) sehe ich mich als ein Sprachrohr für die Wahrheit und für die Realität. Trotz der hohen Quote an Geflüchteten gibt es keine Zunahme schwerer Straftaten, keine steigende Kriminalitätsrate, aber einen sehr hohen Integrationswillen. Die geflüchteten Menschen, die bei uns leben, bauen unsere Spielplätze, drehen unsere Brezen, und das bringe ich als Bürgermeister in die Öffentlichkeit der Gemeinde. Davon lässt sich die Bevölkerung anstecken. Dem eigenen Bürgermeister wird mehr Glauben geschenkt, ich bin hier geboren und aufgewachsen und kenne 95% der eigenen Bevölkerung.

Was hat gut funktioniert und weshalb? Welche konkreten Maßnahmen haben unserer Meinung nach zum Erfolg beigetragen?

Sicher hat es geholfen, dass ich so viele Personen persönlich kenne und mit allen ins Gespräch komme. Darüber hinaus haben die folgenden sechs Maßnahmen zum Erfolg beigetragen.

  1. Wir waren der Situation immer einem Schritt voraus, d.h. wir haben uns um die Helfer:innen gekümmert, bevor die Geflüchteten kamen. Anfangs waren nur 10 Personen da, die ankamen, diese Zahl ist jedoch stetig angewachsen (s.o.)
  2. Wir haben den Aufbau von Strukturen unterstützt, die es ermöglichen Leute arbeiten zu lassen, wenn sie arbeiten können. Dazu habe ich im Betrieb angerufen und gefragt, ob dort Mitarbeitende gebraucht werden und wenn ja, was diese können müssen.
  3. In der Gemeinde haben wir relativ schnell Asylbewerbende aus dem Bereich des Versteckten herausgeholt, haben mit ihnen Spielplätze gebaut, beim Tag der Regionen haben sie dann ihre Köstlichkeiten angeboten, haben eine Modenschau mit Landeskleidung der jeweiligen Kultur gemacht, Stoffumschläge für die Hefte (auch zum Thema Nachhaltigkeit) erstellen lassen, haben Leute zur Feuerwehr gebracht. Einige spielen am Sportplatz, z.B. Fußball und Basketball, und kommen so zusammen mit anderen ansässigen Menschen aus der Gemeinde. Alles soll zugänglich sein, dadurch sind Bänder und Kontakte und Freundschaften entstanden.
  4. Den männlichen Asylbewerbern wurde gesagt, wie sie sich den Frauen nähern sollen (es fielen zunächst Ausdrücke, die beleidigend und unangebracht waren). Es wird Sexualaufklärung mit den Jugendlichen und Männern gemacht und ihnen gesagt, dass sie bei Interesse an einer Frau darauf warten müssen, dass Interesse an einem Gespräch gezeigt wird. Diese anfänglichen Reibungsflächen konnten eingefangen werden und die Menschen im Ort haben ihre Angst verloren.
  5. Der in der CSU angelegte christliche Wert muss gelebt werden. Dieser Weg funktioniert zum Glück, es wurden noch keine Straftaten begangen. Die Argumente sind auch Werte wie der Wert, dass der Tüchtige das Glück hat. Und eben Werte wie Christlichkeit, Menschenliebe, Nächstenliebe, Menschen lassen sich davon anstecken.
  6. Ich packe selber an, lebe mein gesamtes Leben lang nach diesen Werten.

Was sind Grenzen der Arbeit? Bisherige Herausforderungen? Was kann noch verbessert werden?

Herausforderungen stellen Versuche des Ausnutzens dar bzw. Vorfälle, die die Hilfsbereitschaft an ihre Grenze bringt. Ebenso grenzwertig ist es, wenn christliche Werte verlassen werden.

Allgemeines Problem: alle 2 Jahre wird ein Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt. Eine junge Dame erhielt den Ausbildungsvertrag. Enttäuschung im Zusammenhang mit fehlendem Willen, Verantwortung zu übernehmen.

Wie würden wir unser Projekt bewerten?

Kein Kursangebot bzw. Projekt, eher eine Aufgabe, die aus dem Grundgesetz resultiert. Alles, was im Grundgesetz steht, hat auch mit der eigenen Person zu tun und kann als Aufgabe der Kommune begriffen werden. Die Aufgaben kann nicht nur der Bund leisten, es setzt am Ende immer eine Gemeinde um. Fazit: es gibt keinen Mangel an Anfragen nach Arbeitskraft durch in die Gemeinde gezogenen geflüchtete Menschen. Tatsächlich gibt es viele Anfragen, auch jenseits der Gemeinde. Die ankommenden Menschen erkennen, dass Ihnen durch die Aufgaben in der Gemeinde geholfen wird, durch die Arbeit, die Wohnung, der Lebensrhythmus, der der Normalität entspricht, dass sie ein normales Leben führen dürfen.

 

Inhalt von

Richard Reischl, Erster Bürgermeister (interviewt von Dr. Daniela Niesta Kayser)

 

Die wichtigsten Eckdaten und Kontaktmöglichkeiten:

Titel des Programms/der Initiative Gemeindeprojekte in Herbertshausen bei München
Zeitspanne Seit 2014
Projektleitung Richard Reischl, Erster Bürgermeister
Projektkoordination
Projektassistenz
Name und Verbundart der durchführenden Organisation Gemeinde Herbertshausen
Kontaktdaten https://www.hebertshausen.de/rathaus-und-buergerservice/gemeindeverwaltung/buergermeister/

Gemeinde Hebertshausen, Am Weinberg 1, 85241 Hebertshausen:
08131 / 29286-0
08131 / 29286-200
poststelle@hebertshausen.de
Richard Reischl, Erster Bürgermeister

Zielgruppe des Projekts In der Gemeinde aufgenommene Geflüchtete und alle freiwilligen Helfer:innen und Betriebe