IBZ unterwegs: Gemeinsam für zwischenmenschliche und interkulturelle Konfliktlösungen

Foto: AG Asylsuchende

Kurzübersicht

Das IBZ ist ein Begegnungszentrum für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in der Pirnaer Altstadt, das von der AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V. getragen wird. Durch vielfältige Projekte, wie das SprachCafé, einen Frauentreff, einen Kreativtreff, ehrenamtliche Deutschkurse und eine Fahrradwerkstatt, ermutigt das IBZ den Austausch von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung. Obwohl die Pandemie viele Projekte erschwert hat, ist die Kontaktaufnahme mit Geflüchteten über Messenger-Dienste weiterhin möglich. Die Vernetzung mit Fachkräften war erfolgreicher als erhofft; es kommt allerdings manchmal zu Unstimmigkeiten mit anderen etablierten Akteuren. Das Projekt versucht Stigmatisierung und Diskriminierung zu thematisieren und Menschen zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft zur ermutigen. Formen der konstruktiven und demokratischen Konfliktbewältigung sollen befördert werden. Es zeigte sich, dass es auch für die Helfenden wichtig ist, eigene Annahmen und Privilegien zu hinterfragen und sich auf Augenhöhe zu begegnen.

 

Wie ist unser Projekt aufgebaut und wie ist seine Laufzeit?

Das IBZ ist ein Begegnungszentrum für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in der Pirnaer Altstadt. Es wird von der AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V. getragen.
Das IBZ lädt dazu ein, dass sich Menschen in lockere Atmosphäre kennenlernen und zusammenarbeiten. Ziel ist es, Vielfalt kennen und schätzen zu lernen. Dafür unterhält das IBZ ein Sprach-Café, einen Frauentreff, einen Kreativtreff, ehrenamtliche Deutschkurse und eine Fahrradwerkstatt. Im IBZ finden auch unregelmäßig Bildungsveranstaltungen (z.B. Vorträge, Filmvorführungen) statt; pandemiebedingt zuletzt jedoch nicht mehr. Ein besonderer Fokus der Arbeit liegt auf dem Stadtteil Sonnenstein, der vielen als „Problemviertel” gilt. Auf dem Sonnenstein befinden sich die meisten Wohnungen für asylsuchende und anerkannte geflüchtete Menschen in Pirna. Es besteht eine Trennung der Wohnbereiche für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, die vielen Betroffenen Angst macht: Viele wollen nicht auf dem Sonnenstein wohnen, da sie das als integrationshemmend und stigmatisierend empfinden. Dem gegenüber steht ein langjähriges Stadtteilmanagement, die WGP als größter Wohnungsgeber und etablierte Akteure (z.B. Soziokulturelles Zentrum, Kirchgemeinde, mittlerweile auch unsere Fahrradwerkstatt), die sich um ein positiveres Bild und ein lebenswertes Wohnumfeld bemühen.

Welches Ziel verfolgen wir mit unserem Projekt?

Das IBZ hat folgende Ziele:

  • Stigmatisierung, Diskriminierung, Vorurteile und Gewalt müssen thematisiert und problematisiert werden
  • Menschen müssen sich sicher, angenommen und zur Teilhabe ermutigt fühlen
  • Konstruktive und demokratische Konfliktbewältigung müssen gelernt, angenommen und angewandt werden
  • Unterschiedliche Menschen müssen sich begegnen, sich austauschen und persönlich kennenlernen
  • Menschen müssen erfahren, dass sie ihr direktes Umfeld gestalten können, dass sie teilnehmen und wirksam sein können

Die AG Asylsuchende hat allgemein folgende Ziele:

  • Empathie, Begegnung auf Augenhöhe und die Idee eines gleichberechtigten, solidarischen Miteinanders in unserer Gesellschaft, in der die Menschenrechte geachtet werden und die Menschenwürde jeder*s Einzelnen unantastbar ist
  • Die AG Asylsuchende will sich weiterhin für Menschen, die von Rassismus betroffen sind, einsetzen und sich gegen diskriminierende, ablehnende und ausschließende Strukturen und Verhaltensweisen gegen Geflüchteten stemmen.
  • Siehe auch: https://ag-asylsuchende.de/index.php/ueber-uns

Was hat gut funktioniert und weshalb? Welche konkreten Maßnahmen haben unserer Meinung nach zum Erfolg beigetragen?

Besonders gut hat die Vernetzung mit den Fachkräften und der Kontakt der Mitarbeiter:innen untereinander zum Erfolg unseres Projekts beigetragen.

Die Maßnahmen im Stadtviertel Sonnenstein wie Flüchtlingsarbeit, Arbeit in der Schule und Kita und die Ehrenamtlichen in der Kirche trugen maßgeblich zum Erfolg bei.

Was sind Grenzen der Arbeit? Bisherige Herausforderungen? Was kann noch verbessert werden?

Punkte der Herausforderung waren die Skepsis und die Abwehr etablierter Akteur*innen auf dem Sonnenstein, z.B.: Soziokulturelles Zentrum (Fokus Senior*innenarbeit), natürlich auch die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Einschränkung; außerdem der Zugang zu neuen Zielgruppen (Bewohner*innen des Stadtteils ohne Fluchthintergrund). Insgesamt ist noch eine bessere und differenzierte Öffentlichkeitsarbeit notwendig (v.a. um ältere Menschen zu erreichen).

Wie würden wir unser Projekt bewerten?

Es wurde eine kleine Umfrage zum Bedarf des Stadtteils durch einen Soziologiestudenten im Rahmen eines Praktikums erstellt, diese wird derzeit noch ausgewertet.

Es wurden weniger neue Zielgruppen erreicht als erhofft; das überwiegend pandemiebedingt. Vernetzung mit Fachkräften dafür besser als erhofft, u.a. auch weil Online-Treffen einfacher zu realisieren waren. Niedrigschwellige Begegnungsveranstaltungen fanden seit Projektbeginn nur sehr eingeschränkt statt, sollen demnächst aber starten. Dafür intensive Vernetzung mit zwei Partner*innen auf dem Sonnenstein und viele Pläne zur Fortführung und Vertiefung des Projektes nach 2022. Außerdem begann eine wichtige eigene klassismuskritische Bildung und Reflexion eigener Bilder und Vorurteile gegenüber benachteiligten Stadtteilen und deren Bewohner*innen. Kontakt zu bisheriger Zielgruppe (asylsuchende Menschen) aber trotz Kontaktbeschränkungen und kaum persönlichem Kontakt intensiv über Messengerdienste, alle freuen sich auf baldige Treffen.

Das IBZ war eine wichtige Brücke in Zeiten von geschlossenen/schwer erreichbaren Behörden und Beratungsstellen für asylsuchende Menschen im Landkreis.

Was ist unsere Empfehlung für Personen, die sich ehren- oder hauptamtlich für Geflüchtete engagieren möchten (z.B. Empfehlungen für den Umgang mit Herausforderungen, zum Abbau von Hierarchien, allgemeine Empfehlungen, die Ihnen auf Basis Ihrer Erfahrung als wichtig erscheinen)?

  • Eigene gesellschaftliche Positionierung reflektieren: In welchen Kontexten bin ich privilegiert/werde ich diskriminiert?
  • Eigene Normvorstellungen und Vorurteile reflektieren: Was ist für mich normal/erstrebenswert? Welches Verhalten deute ich als positiv/negativ, warum…
  • Beispiel: Warum sind bestimmte Menschen engagiert, andere nicht, liegt das nur an individuellen Einstellungen, oder auch an gesellschaftlichen Bedingungen (nicht erwerbstätige Ehefrau; Bürger*innen, die es gewohnt sind, dass ihr Wort und ihr Handeln als wichtig und wertvoll erachtet wird…), warum ist das Ehrenamt bestimmter Menschen nicht sichtbar (z.B. viel Gerede um: Geflüchtete in Ehrenamt bringen, dabei helfen die meisten als Sprachmittler*innen, Begleitung bei Behörden- oder Arztterminen, erklären Briefe in ihrer Gemeinschaft und darüber hinaus, organisieren Crowdfunding usw…)
  • von Anfang an Ideen zu gemeinsam Projekten planen und realisieren, statt sich im Nachhinein um „Diversität“ bemühen.
  • Sich nicht vor Hürden und Schwierigkeiten scheuen, da Diskriminierung in unsere gesellschaftliche Struktur eingewebt ist, ist es einfacher zu diskriminieren oder nicht mit einzubeziehen als tatsächlich miteinander und auf Augenhöhe, d.h. gleichberechtigt, Projekte umzusetzen…d.h. um die Gesellschaft demokratischer und gerechter zu gestalten, müssen wir in unserem direkten Umfeld auch anfängliche Schwierigkeiten auf uns nehmen wollen, wenn wir wirklich etwas ändern wollen (z.B. Sprachbarriere, Förderlogik erläutern, für sich ungewohnte Abläufe akzeptieren usw.)

Was ist das Know-how aus unserer praktischen Erfahrung, welches wir anderen Engagierten mitgeben möchten?

Beides ist wichtig:

  • Zeit für lockere Begegnung, gemeinsames Kochen und Essen, Sport, kreativ sein, Ausflüge in die Natur…
  • Zeit für Austausch über Diskriminierungserfahrungen, aktuelle politische Begebenheiten, Sorgen über z.B. zurückgelassenen Familie, Frust über Behörde…

Welche sonstigen Anmerkungen oder Ergänzungen möchten Sie machen?

Da es vor einiger Zeit aktuell war: Wir erleben, dass sich haupt- und ehrenamtliche Unterstützer*innen unsicher fühlen in Gesprächen mit arabisch-sprachigen Geflüchteten über den Nahost-Konflikt. Ich empfehle dazu diesen offenen Brief zu lesen und darüber nachzudenken: https://www.bs-anne-frank.de/fileadmin/content/Pressemitteilungen/Wir_lassen_uns_nicht_trennen_Ein_offener_Brief.pdf

 

Inhalt von AG Asylsuchende SOE e.V. – Internationales Begegnungszentrum in Pirna

 

Die wichtigsten Eckdaten und Kontaktmöglichkeiten:

Titel des Programms/der Initiative „IBZ unterwegs: Gemeinsam für zwischenmenschliche und interkulturelle Konfliktlösungen“
Zeitspanne 01.01.2020 – 31.12.2022
Projektleitung Christina Riebesecker
Projektkoordination
Projektassistenz Annette Hickmann
Name und Verbundart der durchführenden Organisation AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V.
Kontaktdaten AG Asylsuchende Sächsische Schweiz-Osterzgebirge e.V.
Lange Straße 38a | 01796 Pirna
Telefon Büro 03501-7599324 | Telefon IBZ 03501-7599325
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