Kontakt zwischen Geflüchteten und Einheimischen – wie kann man für die Entspannung von Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sorgen?

Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass Kontakt zwischen Menschen aus unterschiedlichen Gruppen die Beziehung zwischen diesen  Gruppen verbessern kann. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass diese Begegnungen positive Effekte für die Gruppenbeziehung haben. Er zeigt auch anhand von bereits existierenden Projekten, wie man diese Rahmenbedingungen schaffen kann.

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Jahrzehntelange Forschung zeigt, dass Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen in der Regel zu verbesserten Beziehungen zwischen diesen Gruppen führt[1],[2]. Kontakt hilft dabei, Empathie für und Wissen über andere Gruppen aufzubauen, sowie Unsicherheiten und Ängste abzubauen[3]. Die Art des Kontaktes – sei es persönlicher, z.B. im Verein, oder Supermarkt, oder indirekter, z.B. über Medien, oder Hörensagen – spielt dabei eine untergeordnete Rolle[4]. Vielmehr sind die Rahmenbedingungen der Kontaktsituation von Bedeutung[5], damit dieser für harmonischere Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sorgen kann: In unstrukturierten Settings und bei negativen Erwartungen kann Kontakt auch negative Konsequenzen für die Beziehungen der betroffenen Gruppen mit sich bringen[6],[7],[8],[9]. Umso wichtiger ist es, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Kontakt sich konfliktreduzierend auf die Beziehungen auswirken kann[10].

Welche Rahmenbedingungen sind hilfreich?

Beide Parteien sollten sich als gleichberechtigte Interaktionenpartner*innen auf Augenhöhe wahrnehmen[11], da Statusungleichheiten zu Geringschätzung der statusniedrigeren Gruppe führen kann[12],[13], und dazu beitragen kann, dass Geflüchtete von Einheimischen als weniger kompetent wahrgenommen werden[14]. Gleicher Status kann beispielsweise dadurch erreicht werden, Geflüchteten und Einheimischen in der Kontaktsituation gleichberechtigt zu ermöglichen an Aktivitäten teilzunehmen, Meinungen zu äußern, Entscheidungen zu treffen, und/oder gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen (z.B. Infrastruktur), die in der Kontaktsituation verfügbar sind[15]. Eine solche Art von Kontakt wird zum Beispiel bei Kochaktionen von „über den Tellerrand“ hergestellt, bei dem Einheimische wie Geflüchtete als gleichberechtigte Partner*innen gemeinsam Gerichte zubereiten.[16] Ein anderes Beispiel stellen gemeinschaftliche Gartenprojekte dar, in welchem auf gleicher Augenhöhe längerfristige Begegnungen realisiert werden können[17].

Kontakt wirkt positiv, wenn in der Kontaktsituation gemeinsame Ziele auf kooperative Art und Weise verfolgt werden[18]. Eine solche positive gegenseitige Abhängigkeit kann erreicht werden, indem die Kontaktsituationen derart gestaltet sind, dass Geflüchtete und Einheimische sich auf einander verlassen müssen, um gemeinsame Ziele zu erreichen[19]. Als Beispiel seien wieder die Kochaktionen von „über den Tellerrand“ und Gemeinschaftsgartenprojekte genannt, bei denen Geflüchtete und Einheimische sich gegenseitig unterstützen, um auf kooperative Art und Weise gemeinsam an einem Strang ziehen, um einen gemeinsam Mehrwert herzustellen.

Zahlreiche Studien haben außerdem wiederholt gezeigt, dass Kontakt und positiver Umgang von Institutionen und Autoritäten begrüßt und aktiv unterstützt werden sollte[20]. Politische Entscheidungsträger*innen sowie Personen in Führungspositionen können durch Etablierung von Regeln, Normen und Gesetzen für positiven und wertschätzenden Umgang, und Sanktionierungen von entsprechenden Verstößen beider Parteien, einen Beitrag zu positiveren Beziehungen zwischen Einheimischen und Geflüchteten leisten. In Rheinland-Pfalz werden beispielsweise traditionell ehrenamtlich Engagierte zum Tag der deutschen Einheit als Ehrengäste zu den Feierlichkeiten eingeladen[21]. Ein anderes Beispiel ist die jährliche Verleihung des deutschen Engagementpreises mit prominenten Laudator*innen, der dieses Jahr u.a. an eine lokale Initiative gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, und Gewalt vergeben wurde.[22] Dabei gilt allerdings auch: „Vorleben“, und somit mit eigenem Handeln als Vorbild vorangehen, ist in der Regel besser als „vorschreiben.“[23]

Mögliche Anwendungskontexte zur Etablierung von Rahmenbedingungen

Möglichkeiten für politische und private Akteur*innen die Rahmenbedingungen für positive Kontakterlebnisse (Statusgleichheit, Intergruppenkooperation, gemeinsame Ziele, Unterstützung durch Autoritäten) und somit harmonischere Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen herzustellen sind vielfältig.

An Schulen, Kindergärten und anderen Bildungseinrichtungen kann z.B. kooperativer Gruppenunterricht nach dem Jigsaw-Vorbild gestaltet werden, in welchem jede*r einzelne aufgefordert ist, einen bedeutsamen Beitrag zum Gruppenlernerfolg zu leisten[24] (für mehr Infos zur Implementierung, siehe z.B. jigsaw.org). Außerdem können Geschichten, welche von positiven Interaktionen zwischen Geflüchteten und Einheimischen handeln, (vor-)gelesen werden, welche auch zur Verbesserung der Einstellung führt.[25] Bei Freizeitaktivitäten, wie dem Teamsport oder dem gemeinsamen Kochen nach dem oben erwähnten „über den Tellerrand“-Vorbild, können oben genannte Kontaktsituationen beispielsweise mithilfe gemischter Teams von Geflüchteten und Einheimischen erreicht werden.[26] Auch im Bereich bürgerschaftlichen Engagements, wie gemeinsamer Arbeit in Vereinen und Ehrenamt von Schützenverein bis Pfadfinder*innen, können die o.g. Kontaktbedingungen hergestellt werden. Schließlich ist auch die Politik gefordert, zum Beispiel in der Ansiedlungspolitik von Geflüchteten für Wohneinheiten zu sorgen, die eine Vielzahl von positiven Berührungspunkten im Alltag zu lassen.[27],[28],[29]

Fazit

Kontakt hilft, Beziehungen zwischen Geflüchteten und Einheimischen zu verbessern. Mit der Schaffung von den Rahmenbedingungen für statusgleiche Intergruppenkooperation, mit gemeinsamen Zielen, und Unterstützung durch Autoritäten kann jede*r Bürger*in einen Beitrag dazu leisten, um Beziehungen zwischen Geflüchteten und Einheimischen zu verbessern.

[1] Pettigrew, T. F., & Tropp, L. R. (2006). A meta-analytic test of intergroup contact theory. Journal of Personality and Social Psychology, 90(5), 751-783.

[2] Allport, G. W. (1954). The nature of prejudice. New York, NY: Addison.

[3] Pettigrew, T. F., & Tropp, L. R. (2008). How does intergroup contact reduce prejudice? Meta‐analytic tests of three mediators. European Journal of Social Psychology, 38(6), 922-934.

[4] Harwood, J. (2010). The contact space: A novel framework for intergroup contact research. Journal of Language and Social Psychology, 29(2), 147-177.

[5] Pettigrew, T. F., & Tropp, L. R. (2006). A meta-analytic test of intergroup contact theory. Journal of Personality and Social Psychology, 90(5), 751-783.

[6] Dijker, A. J. (1987). Emotional reactions to ethnic minorities. European Journal of Social Psychology, 17(3), 305-325.

[7] Plant, E. A., & Devine, P. G. (2003). The antecedents and implications of interracial anxiety. Personality and Social Psychology Bulletin, 29(6), 790-801.

[8] Dovidio, J. F., Saguy, T., West, T. V., & Gaertner, S. L. (2012). Divergent intergroup perspectives. In The Oxford handbook of intergroup conflict. Oxford, UK: Oxford University Press.

[9] Kotzur, P. F., & Wagner, U. (2017). Love thy neighbour as thyself? Positive and negative contact and rejection of asylum seekers in the neighbourhood of initial reception centres. Manuscript in preparation.

[10] Dovidio, J. F., Saguy, T., West, T. V., & Gaertner, S. L. (2012). Divergent intergroup perspectives. In L. R. Tropp (Ed.), The Oxford handbook of intergroup conflict. Oxford, UK: Oxford University Press.

[11] Tropp, L. R. (2015). Dismantling an ethos of conflict: strategies for improving intergroup relations. In E. Halperin, & K. Sharvit (Eds.), The social psychology of intractable conflicts: Celebrating the legacy of Daniel Bar-Tal (pp. 159-171). London, UK: Springer International.

[12] Ridgeway, C. L. (2013). Why status matters for inequality. American Sociological Review, 79(1), 1-16.

[13] Cuddy, A. J., Fiske, S. T., & Glick, P. (2008). Warmth and competence as universal dimensions of social perception: The stereotype content model and the BIAS map. Advances in Experimental Social Psychology, 40, 61-149.

[14] Kotzur, P. F., Schäfer, S., & Wagner, U. (2017). Meeting the nice refugee: Intergroup contact changes stereotype content perceptions. Manuscript in preparation.

[15] Tropp, L. R. (2015). Dismantling an ethos of conflict: Strategies for improving intergroup relations. In E. Halperin, & K. Sharvit (Eds.), The social psychology of intractable conflicts: Celebrating the legacy of Daniel Bar-Tal (pp. 159-171). London, UK: Springer International.

[16] https://ueberdentellerrandkochen.de/

[17] https://anstiftung.de/urbane-gaerten/praxisseiten-urbane-gaerten/1750-wie-erreichen-interkulturelle-gemeinschaftsgaerten-fluechtlinge-und-asylbewerberinnen

[18] Allport, G. W. (1954). The nature of prejudice. New York, NY: Addison.

[19] Aronson, E., & Patnoe, S. (1997). The jigsaw classroom: Building cooperation in the classroom. New York, NY: Longman.

[20] Pettigrew, T. F., & Tropp, L. R. (2006). A meta-analytic test of intergroup contact theory. Journal of Personality and Social Psychology, 90(5), 751-783.

[21] http://www.landeszeitung-rlp.de/2017/10/03/malu-dreyer-empfing-ehrenamtliche-aus-allen-laendern/

[22] https://www.deutscher-engagementpreis.de/ueber-uns/preisverleihung-2017/

[23] Cialdini, R. B., Reno, R. R., & Kallgren, C. A. (1990). A focus theory of normative conduct. Journal of Personality and Social Psychology, 58(6), 1015-1026.

[24] Aronson, E., & Patnoe, S. (1997). The jigsaw classroom: Building cooperation in the classroom. New York: Longman.

[25] Cameron, L., Rutland, A., Brown, R., & Douch, R. (2006). Changing children’s intergroup attitudes towards refugees: Testing different models of extended contact. Child Development, 77(5), 1208-1219.

[26] Brown, K. T., Brown, T. N., Jackson, J. S., Sellers, R. M., & Manuel, W. J. (2003). Teammates on and off the field? Contact with black teammates and the racial attitudes of white student athletes. Journal of Applied Social Psychology, 33(7), 1379-1403.

[27] Wagner, U., Christ, O., Pettigrew, T. F., Stellmacher, J., & Wolf, C. (2006). Prejudice and minority proportion: Contact instead of threat effects. Social Psychology Quarterly, 69, 380-390.

[28] Wagner, U. (2016). Sozialpsychologische Empfehlungen an Gesellschaft und Politik zum Umgang mit Geflüchteten in Deutschland. Retrieved from https://www.uni-marburg.de/fb04/team-wagner/aktuelles/document.2016-02-18.3629496618

[29] Wagner, U. (2017). Ablehnung von Fremden und was man dagegen tun kann – wenn man es will. Paper presented at Internal Colloquium at the Institute for Psychology, University of Münster, Germany.

Diesen Artikel bitte zitieren als: Kotzur, P. (2018). Kontakt zwischen Geflüchteten und Einheimischen – wie kann man für die Entspannung von Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen sorgen? Fachnetz Flucht, 1. Verfügbar unter https://www.fachnetzflucht.de/kontakt-zwischen-gefluechteten-und-einheimischen-wie-kann-man-fuer-die-entspannung-von-beziehungen-zwischen-verschiedenen-bevoelkerungsgruppen-sorgen/

Veröffentlicht am 30.04.2018